Hegemoniale Männlichkeiten

Das Konzept der Hegemonialen Männlichkeit wurde von der australischen Soziologin Raewyn Connell entwickelt und 1995 in ihrem Buch Masculinities (dt. Der gemachte Mann. Konstruktion und Krise von Männlichkeiten; 1999) erweitert. Das Konzept hat seitdem eine breite Rezeption erfahren und wird vielfach diskutiert und kritisiert. (siehe hierzu auch den Artikel Krise der Männlichkeit? Oder die Rationalität einer „unerwachsenen Gesellschaft“ in KRASS #1)

Connell beschreibt Männlichkeiten als eine soziale Konstruktion, die auch historisch unterschiedlich verortet werden kann, das heißt, je nach historischem Kontext kann eine andere Männlichkeit dominant sein. Sie definiert Männlichkeit wie folgt: „Männlichkeit ist – soweit man diesen Begriff in Kürze überhaupt definieren kann – eine Position im Geschlechterverhältnis; Praktiken, durch die Männer und Frauen diese Position einnehmen, und die Auswirkungen dieser Praktiken auf die körperliche Erfahrung, auf Persönlichkeit und Kultur“ (Connell 1999:91). Männlichkeit ist also nur innerhalb eines komplexen Geschlechterverhältnisses zu verorten. Das bedeutet, Connell berücksichtigt einerseits Machtverhältnisse innerhalb der Beziehung der Geschlechter und betrachtet Männlichkeit andererseits als veränderbar, also als nichts Statisches.

Connell definiert Hegemoniale Männlichkeit (der Begriff der Hegemonie wird hier der Hegemonietheorie von Antonio Gramsci entlehnt) als die Norm von oder die „Wahrheit“ über Männlichkeit, „als jene Konfiguration geschlechtsbezogener Praxis […], welche […] die Dominanz der Männer, sowie die Unterordnung der Frauen gewährleistet (oder gewährleisten soll)“ (Connell 1999:38). Hegemoniale Männlichkeit und Konkurrenz unter Männern. Nach Connell gibt es unterschiedliche Männlichkeitsmuster und diese drücken nicht in der gleichen Weise die Dominanz der Männer und die Unterdrückung der Frauen aus. Hegemoniale Männlichkeit definiert sich in diesem Sinne immer in Relation zu subordinierten/ untergeordneten Männlichkeiten in einem hierarchischen Gerüst.

Letztere unterteilt Connell in marginalisierte, unterdrückte und komplizenhafte Männlichkeiten.

Zu den unterdrückten Männlichkeiten zählt Connell unter anderem „homosexuelle Männlichkeiten“ und argumentiert, dass diese im Zuge der Unterdrückung durch „heterosexuelle Männlichkeiten“ an das unterste Ende der männlichen Geschlechtshierarchie geraten, jedoch auch die stärkste Opposition zur Hegemonialen Männlichkeit bilden und diese wiederum am stärksten in Frage stellen.

Komplizenhafte Männlichkeiten, zu denen Connell die Mehrheit der Männer rechnet, profitieren dagegen von der Hegemonialen Männlichkeit, da sie an der sogenannten patriarchalen Dividende (der allgemeine Vorteil, der Männern aus der Unterdrückung von Frauen erwachse) teilhaben und damit die Hegemoniale Männlichkeit stützen, ohne sie selbst zu erreichen.

Marginalisierte Männlichkeiten dagegen seien allgemein Männlichkeiten unterdrückter Schichten und „Ethnien“. Dabei sichert die Unterordnung bestimmter Gruppen von Männern die Herstellung und den Erhalt der Hegemonie anderer Männer. Connells Konzept legt den Fokus der Betrachtung also nicht „nur“ auf das Verhältnis von Männern und Frauen, sondern ermöglicht ebenso die Analyse von Männlichkeiten untereinander. Sowohl für kulturtheoretische und -geschichtliche Betrachtungen und Analysen als auch für die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit Geschlechterverhältnissen und Körperpolitiken kann die beschriebene Konzeption der Hegemonialen Männlichkeiten Perspektiven eröffnen.

Connell, Raewyn (1999): Der gemachte Mann. Konstruktion und Krise von Männlichkeiten.

Als Einstieg in das Thema finden wir das Buch Geschichte der Männlichkeiten von Jürgen Martschukat und Olaf Stieglitz (2008) sehr hilfreich.

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